Einen Schritt weitergedacht: Was laesst sich leichter lernen, der Umgang mit Staerken oder das Ausbuegeln von Schwaechen eines Programms? Zumindest emotional macht bei den Staerken der Erfolg das Lernen angenehmer, bei Schwaechen der anfaengliche Misserfolg unangenehmer. Muesste also ein Program, das Nutzer zum Umsteigen bewegt, moeglichst ... dem anderen (zumindest auch) in seinen Schwaechen aehneln?Winword ist ein Musterbeispiel fuer ein Phaenomen, dass sich in der Verhaltensforschung "Concorde-Effekt" nennt. Gemeint ist damit die Verhaltensweise, in ein Projekt weiterzuinvestieren, weil bereits eine grosse Investition darinsteckt.
In diesem Fall ist die Umsetzung: Nutzer beharren auf der Benuztung eines Software-Produkts, weil sie bereits sehr viel Zeit investiert haben, um die Benutzung ebendieses Produktes zu lernen und seine Schwaechen zu beruecksichtigen. Dass das Projekt insgesamt dabei eine negative Bilanz hat (d.h. sehr viel Lernaufwand fuer sehr geringen Zusatznutzen erfordert), wird toleriert, weil die Gesamtbilanz (d.h. dass die ganze Lernarbeit "umsonst" gewesen waere und eine neue Lernarbeit beginnen wuerde) beim Umstieg auf ein anderes Projekt noch unguenstiger ausfallen wuerde.
(Insofern ist OpenOffice meiner Meinung nach durchaus auf der richtigen Spur: Es verringert die "Umsteigeverluste" und bietet zusaetzliche Vorteile. In dem Moment, wo die Bilanz dann auch noch den Sturheitsfaktor der Nutzer (der leider ziemlich gross ist) uebersteigt, wird Winword wirklich so obsolet, wie es sich mancher jetzt schon wuenscht...)
Das ist aus Sicht des Programmierers vermutlich absurd, aus der Sicht des Verhaltensforschers vielleicht etwas weniger; ich bin mir da offen gestanden nicht sicher.
Andernfalls ist das System WinWord - und eventuell Microsoft insgesamt - frappanterweise gerade, weil es schlecht ist, selbststabilisierend: Weil die Nutzer von Anfang an "ihre liebe Muehe" haben und das ja alles ganz umsonst gewesen waere, wenn sie umsteigen wuerden, werden sie sogar ein weit geeigneteres und besseres Programm ablehnen.
Irgendwie kommt mir das gar nicht so unvertraut vor... Ich finde mich da gerade selbst wieder . Ich akzeptiere schon, dass Linux wohl Windows in vielen Aspekten ueberlegen ist, und ich wuerde auch gerne wechseln. Aber ich benutze trotzdem Windows weiter - einfach, weil ich es so gut kenne und weil der Umstieg heissen wuerde, wieder ganz von vorne anzufangen.
Es ist und bleibt absurd: Wenn Menschen erstmal in einem Concorde-Effekt "gefangen" sind, hilft die gesamte Argumentation mit Staerken einer besseren Software nichts - weil immer der vergangene Lernaufwand in die unterbewusste Kalkulation mit einbezogen wird. Eine Argumentation "Das ist fast wie Windows" ist, so betrachtet, der geeignetere Ansatzpunkt, sogar wenn es heisst: "Das hat die gleichen Schwaechen wie Windows." Das macht erstaunlicherweise die Sache vielleicht sogar "besser", im Sinne von: "vergangene Lernmuehen nicht ganz umsonst"...
Aber dann wuerde, wenn ich es richtig sehe, vor allem ein Mittel Abhilfe schaffen: In den Schulen bessere Systeme lehren. Jeder, der mit Windows angefangen hat, ist ja schon dem Concorde-Effekt ausgesetzt. Und bei allen, die diesem Effekt ausreichend stark unterliegen (ich glaube, Menschen reagieren da sehr unterschiedlich), ist das schon fast die Grenze zum "zu spaet".
Noch einen Schritt weiter, diesmal in Richtung Verallgemeinerung: Wenn das so stimmt, hat schlechte Software einen "evolutiven Ueberlebensvorteil"...
Verd*, ist das eine unerfreuliche Perspektive...
Kann mich mal gerade jemand widerlegen, bitte? *hoff*