Ich sehe das auch so wie BlackJack. Informatik ist Mathematik, allerdings von einer anderen Seite betrachtet. Mathematik fragt, was wahr ist, also nach deklarativem Wissen, und Informatik fragt, wie etwas funktioniert, also nach prozeduralem Wissen. Hal Abelson bringt als Beispiel die mathematische Definition der Quadratwurzelfunktion: sqrt(x) := y | y*y == x. Mit dieser Definition weiß ich zwar nun, was eine Quadratwurzel ist, aber ich weiß noch nicht, wie ich eine berechnen kann. Dazu kann ich zB. das Verfahren von Heron von Alexandria verwenden, dh. einen Algorithmus.
Um Informatik zu betreiben braucht man neben Schulmathematik noch mindestens Mengenlehre, Aussagen- und Prädikatenlogik, Graphentheorie und Abstrakte Algebra. Dazu vielleicht noch etwas Modell- und Kategorientheorie und je nach informatischem Teilgebiet mehr. Programmieren ist die Anwendung dieses Wissens. Nicht nur, aber auch.
Was Abstrakte Algebra angeht, halte ich Monoide, Posets und algebraische Verbände für wichtiger, als Gruppen, Körper und Ringe, weil sie einem viel öfter begegnen. Neben der Addition und Multiplikation von Zahlen zB. die Konkatenation von Strings, Listen und Tupeln, zusammen mit deren Identitätselementen "", [] und (). Wenn man Monoide verstanden hat, kann man auch Monaden verstehen. Die Semantik von Programmiersprachen kann man mittels Scott-Domains (also Posets) analysieren. Graphentheorie braucht man, um Facebook zu bauen.
IMO:
In der Schule braucht man davon kaum etwas. Das wichtigste Konzept, das man verstehen muss, ist das der Funktion. Damit hat man das Handwerkszeug, um größere/schwierigere Probleme in kleinere/einfachere zu zerlegen. divide et impera ist die zentrale Strategie beim Programmieren. Am deutlichsten sichtbar wird das bei rekursiven Funktionen, nur sind diese leider für Anfänger nicht leicht zu verstehen. Wie ich die erkläre, weiß ich noch nicht, aber nachdem ich ein Lisp als Lehrsprache verwende, muss ich mir was einfallen lassen.
Letztlich denke ich, dass man das Hochtheoretische nicht braucht, um einen Einstieg in die Programmierung zu bieten, aber man sollte durchaus zeigen, dass es das gibt und wozu es nützlich ist. Das praktischste ist ja bekanntlich eine gute Theorie.
Sigmar Gabriel will Programmieren an Schulen aufwerten
- pillmuncher
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In specifications, Murphy's Law supersedes Ohm's.
Ich finde, dein Konzept klingt sehr interessant und ich glaube, als Schüler hätte mich das sehr angesprochen. Wie kommt's denn bei den Schülern an? Hast du irgendwelche Rückmeldungen zur Verwendung von Scheme als Sprache bekommen?pillmuncher hat geschrieben:Weil's grade passt: seit diesem Schuljahr unterrichte ich an einer Montessori-Schule (Mittelschule mit M-Zweig) Informatik/Programmieren. Es ist ein Wahlpflichtkurs mit einer Doppelstunde/Woche am Nachmittag. Was ich da unterrichte ist mir ziemlich freigestellt. [/url].
Es sind zehn Jungs und ein Mädchen. Wer hat eine Idee, wie man dieses Verhältnis ausgleichen kann?
Bei uns war's z.B. wieder ganz anders und der Physik-LK lag in der Frauenquote ganz unten. Entsprechend deckt sich mein Eindruck mit BlackJacks Aussage. Aber das geht halt alles über anekdotische Evidenz nicht hinaus; da müsste man sich mal Zahlen ansehen.Üpsilon hat geschrieben: Bei uns im Inf-LK sind wir auch ungefähr so 12 Jungs und ein Mädchen. Das ist natürlich unausgewogen, aber wieso muss man daran unbedingt etwas ändern? Und ich glaube kaum, dass die Mädels sich mit Mathe locken lassen. Meiner Ansicht nach wählt (zumindest in Bundesländern, wo man drei LKs wählen muss) jeder, der die PQ-Formel beherrscht, den Mathe-LK. Der Mathe-Grundkurs ist (zumindest bei uns) mehr so das Abstellgleis für die Leute, die für 1,5^2 nen Taschenrechner brauchen. Wenn man sich mal das Teilnehmerfeld der Mathe-Olympiade ankuckt, sieht man bei der Geschlechterrverteilung wieder das gleiche Bild wie in den Informatikkursen.
Hach, immer diese Lisp(l)er - aufm alten Kontinent wird doch wirthisch gesprochen Bei uns an der Unni war Modula2 bis vor wenigen Jahren noch immer die Einführungssprache, nun ist es C (!) + Java. Haskell wird auch angeboten, ist aber nicht gerade beliebt bei den Studentennezzcarth hat geschrieben:Hast du irgendwelche Rückmeldungen zur Verwendung von Scheme als Sprache bekommen?
Wieso das Ausrufezeichen bei C? C im ersten Semester zu verwenden ist durchaus sinnvoll weil man davon ausgehend eine gute Basis für den technischen Kram und Assembler hat.jerch hat geschrieben:Bei uns an der Unni war Modula2 bis vor wenigen Jahren noch immer die Einführungssprache, nun ist es C (!) + Java. Haskell wird auch angeboten, ist aber nicht gerade beliebt bei den Studenten
Stimm ich Dir voll zu - der Schritt zu C ist lange diskutiert worden und hat vor allem von den Softwareentwicklern starken Gegenwind bekommen. Die hätten lieber C# (gern auch ohne Java) gesehen.DasIch hat geschrieben:Wieso das Ausrufezeichen bei C? C im ersten Semester zu verwenden ist durchaus sinnvoll weil man davon ausgehend eine gute Basis für den technischen Kram und Assembler hat.
Nach dem Fiasko mit dem Obamacare Program, war auch in Amerika ein Aufschrei der Politiker mehr junge Leute auszubilden wie man sowas machen kann. Nichts ist passiert wegen dem Mangel an guten Lehrern. Die Antwort war diese Arbeit nach Indien zu schicken.
In der deutschen Presse liest man viel ueber all die Computerexperten die von Kriegslaendern nach Deutschland fliehen, man koennte doch einfach diesen gut ausgebildeten Fachkraeften eine Arbeit geben. Oder ist das Ding mit der Luegenpresse wahr?
In der deutschen Presse liest man viel ueber all die Computerexperten die von Kriegslaendern nach Deutschland fliehen, man koennte doch einfach diesen gut ausgebildeten Fachkraeften eine Arbeit geben. Oder ist das Ding mit der Luegenpresse wahr?
Atomkraftwerkaktienbesitzer
@Ene Uran: Mal davon abgesehen das ich noch nichts über viele Computerexperten gelesen habe, müssten die um bei uns den Nachwuchs auszubilden nicht nur von Computern Ahnung haben (was nebenbei auch ein ziemlich weites Feld ist) sondern auch pädagogisch ausgebildet sein und deutsch können. Kannst Du Quellen nennen, die von vielen deutschsprachigen Computerexperten mit Ausbildungserfahrung unter den Flüchtlingen berichten?
Weil's zum Thema passt: EU-Digitalkommissar Öttinger fordert Informatik für alle. Also konkret 2 Semester Informatik für jedes Berufsbild.
- cofi
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Fairerweise muss man erwaehnen, dass er wohl "2 Semester IT" sagte.
Gleichzeitig meinte er allerdings auch, dass es in Zukunft den gleichen Stellenwert einnehmen wuerde wie Betriebswirtschaft. Eben ein Gebiet fuer das man direkt Fachleute einstellt.
Gleichzeitig meinte er allerdings auch, dass es in Zukunft den gleichen Stellenwert einnehmen wuerde wie Betriebswirtschaft. Eben ein Gebiet fuer das man direkt Fachleute einstellt.
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- jens
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Hab übrigens auf dem letzten PyDDF gehört, das in UK beschlossen wurde, das jeder Schüler programmieren lernen soll.
Als praktische Anwendung wird von der BBC der microbit gemacht: https://www.microbit.co.uk/
Soll dann jeder Schüler bekommen. Siehe auch: https://en.wikipedia.org/wiki/Micro_Bit
Darauf kann man u.a. mit microPython programmieren: http://pyfound.blogspot.co.uk/2015/03/b ... robit.html
Als praktische Anwendung wird von der BBC der microbit gemacht: https://www.microbit.co.uk/
Soll dann jeder Schüler bekommen. Siehe auch: https://en.wikipedia.org/wiki/Micro_Bit
Darauf kann man u.a. mit microPython programmieren: http://pyfound.blogspot.co.uk/2015/03/b ... robit.html
@DasIch: Der Öttinger ist Digitalkommisar, der *muss* doch Experte sein und wissen was er da sagt und tut.
@cofi: Naja, Fachleute kann man erst einsetzen wenn eine Firma dafür gross genug ist. Ich denke der Hintergedanke dabei möglichst vielen Betriebswirtschaftsgrundlagen mit auf den Weg zu geben, ist das möglichst viele die Chance haben sich selbstständig zu machen. Die Regierungen der letzten Jahre/Jahrzehnte stehen doch so auf Ich-AGs weil's für die Arbeitslosenstatistik besser aussieht.
@cofi: Naja, Fachleute kann man erst einsetzen wenn eine Firma dafür gross genug ist. Ich denke der Hintergedanke dabei möglichst vielen Betriebswirtschaftsgrundlagen mit auf den Weg zu geben, ist das möglichst viele die Chance haben sich selbstständig zu machen. Die Regierungen der letzten Jahre/Jahrzehnte stehen doch so auf Ich-AGs weil's für die Arbeitslosenstatistik besser aussieht.
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@BlackJack: Ich denke das is der Punkt. Wer nicht gross genug ist, damit er einen eigenen Betriebswirtschaftler braucht, der kommt mit simpler Arithmetik zurecht.
Gleiches gilt fuer Firmen, die nicht gross genug sind fuer (Fach-)Informatiker: Da muss man eben nur in Standardprogrammen rumklicken.
Insofern stimmt das ganze vorne wie hinten nicht
Ich-AGs und Scheinselbststaendigkeit lass ich da mal gleich ganz weg
Gleiches gilt fuer Firmen, die nicht gross genug sind fuer (Fach-)Informatiker: Da muss man eben nur in Standardprogrammen rumklicken.
Insofern stimmt das ganze vorne wie hinten nicht
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Was ist es denn? Meine Vorstellung von Informatik ist die interdisziplinäre Informationsverarbeitung mit Hilfe des Computers. Es ist eine Schnittmenge aus sehr vielen anderen Bereichen (Mathematik, Physik, Elektrotechnik, ...).DasIch hat geschrieben:2 Semester Informatik Ich glaub wir bräuchten erstmal 2 Semester "Wieso ist meine Vorstellung von dem was Informatik ist falsch und was ist eigentlich Informatik" für alle die Informatikunterricht fordern.
sourceserver.info - sourceserver.info/wiki/ - ausgestorbener Support für HL2-Server
Informatik ist im Wesentlichen Automatentheorie.
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Der Computer hat in der Informatik eben nichts zu tun. Der Standardvergleich ist, das Verhaeltnis von Astronomie und Teleskopen: Man benutzt zwar momentan optische und Radioteleskope um Astronomie zu betreiben, aber das kann sich a) aendern (Radioteleskope als Teleskope zu bezeichnen ist ja schon abenteuerlich) und b) einfach nicht Thema des Gebiets.
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Informatik ist Philosophie. Sie rüttelt selbst an Grundvorstellungen der reinsten menschlichen Vorstellung, der Mathematik.
Was ist ein Computer? Ein Rechenknecht, welcher uns an die traurige Beschränkheit irdischen Seins erinnert.
Ein Hoch auf die altgriechische Geometrie. Die Welt muss da leider passen. Alles schon gesehen
Was ist ein Computer? Ein Rechenknecht, welcher uns an die traurige Beschränkheit irdischen Seins erinnert.
Ein Hoch auf die altgriechische Geometrie. Die Welt muss da leider passen. Alles schon gesehen
cofi hat geschrieben:Der Computer hat in der Informatik eben nichts zu tun.
Als Physiker in der Software-Entwicklung habe ich von dieser Einstellung sehr gut gelebt.jerch hat geschrieben:Informatik ist Philosophie.
Maschinenbau- und Bauingenieure lernen wie nützliche Dinge mit bestimmten zurzeit vorhandenen Werk- und Baustoffen konstruiert werden. So könnte es auch in der Informatik sein.
@MagBen: Informatik ist keine Ausbildung zum Anwendungsentwickler. Es *kann* der Einstieg dazu sein, weil die Grundlagen vermittelt werden, muss es aber nicht weil Informatik sehr viel mehr ist, und sich nicht jeder Informatiker in diesem Gebiet spezialisieren möchte. Es gibt aber auch welche die das tun. Diesen Unterschied gibt es doch auch in der Physik: Man kann Physik studieren oder Maschinenbau. Nicht jeder Physikstudent landet am Ende beim Maschinenbau. Und es gibt Physiker die nichts mit zurzeit vorhandenen Werk- und Baustoffen machen, sondern neue Dinge entwickeln oder Grundlagenforschung betreiben, oder sich Gedanken über die Entstehung des Weltalls machen.